Briefe eines Malers an seine Schwester

Briefe eines Malers an seine Schwester

Nun bin ich in der Heimath, vorgestern langte ich hier an. Es ist doch ein eignes Gefhl, wie ein Fremder, den Niemand kennt, den Keiner erwartet, fr den nicht eine Seele einen freundlichen Gru hat, in die Vaterstadt, in die Stadt seiner holdesten Erinnerungen zurck zu kehren. Du weit, ich bin nicht sentimental, Pauline, aber da Du Alles wissen willst, was sich zwischen mir und Burgwall ereignet, so sei's gestanden, da ich eine Art Herzweh fhlte, berall auf meinem Wege zum Gasthause Personen zu begegnen, die mich hchstens mit dem Blicke der Betrachtung beehrten. Und nun im Gasthause zu wohnen, ein wirklicher Gast, ein Fremder daheim zu sein! Das deutsche Haus, mit seinen Kastanien vor der Thre sie standen richtig noch da lockte mich heimisch an: ihm gegenber liegt ja das alte, liebe Haus, das meiner Phantasie immer als Heerd tiefsten Behagens vorgeschwebt hatte. Du erinnerst Dich gewi, obgleich Du es als ein Kind von acht Jahren verlieest, es steht mit dem Giebel nach der Strae, hat im zweiten Stock einen runden Ausbau, ist mit Schnitzwerk berladen und sieht auswendig gerade aus, wie ein Magister des sechszehnten Jahrhunderts sich der Welt prsentirt haben mag, knstlich, solid und pedantisch. Aber inwendig ist das anders. Gerade das Erkerstbchen war ein beraus behagliches, freundliches Zimmer, mit Blumen, vielem Lichte und duftigen Vorhngen. Ich erinnere mich, da es grn decorirt war, und nuholzene Mbel hatte, die immer wie neu polirt glnzten. In der einen Ecke stand eine Harfe Mutter spielte sie wundervoll und mitten in einer Blumengruppe zog mich immer ein Bild an, ein Christus auf dem Meere. Das Gesicht der Hauptfigur hatte einen bezaubernden Ausdruck; es schwebt mir oft vor, und ich habe schon oft es zu malen gewnscht, aber seltsam! mit diesen Heiligenbildern will es mir nie gelingen. Mutter schien sich stets zu freuen, wenn ich bei den seltenen Gelegenheiten, da sich mir dies Zimmer ffnete, lange betrachtend vor dem Bilde stand, sie hatte eine etwas bigotte Richtung, die herrliche Seele, und hat sich, glaube ich, ber die nichtssagendsten Dinge, das Leben schwer genug gemacht. Du hast Mutter kaum gekannt, Pauline, Du warst erst sechs Jahr alt, als sie starb, ich sechszehn. Sie war ein Engel aber etwas berspannt, ich glaube nicht, da Vater ganz glcklich mit ihr war. Von einer alten Tante, so einer Art Nonne, erzogen, brachte sie eine Last von Vorurtheilen unserm lebensfrohen, geistvollen Vater zu, und nur seiner Liebe zu ihr ist es wohl zuzuschreiben, wenn er nie darber klagte, da sie in ihrer Ehe stets ihren eignen Gang ging und sich nicht zu Vaters Lebensanschauung erheben konnte. Kinder beobachten schrfer als man gewhnlich glaubt, ich habe fter bemerkt, wie still und ernst Mutter ihre Vorkehrungen traf, wenn Vater Gesellschaft gebeten hatte, wie erschreckt sie von ihrem Buche aufsah, wenn spt Abends ein munteres Gelchter oder jubelnde Toaste in das Schlafzimmer hinauf schallten, wo sie uns so sorglich gebettet hatte und dann lesend des Vaters harrte. Erinnerst Du Dich nicht, wie sie uns beten lehrte? Die liebe Heilige! Ich denke nicht ohne Rhrung an sie, aber ich mchte um keinen Preis, da Du ihr einst glichest. Ich bin kein Heide, aber mir schaudert vor dieser Pietisterei; sie vergllt die reinsten, unschuldigsten, harmlosesten Freuden, und verdammt ihre Opfer zur gnzlich unnthigen, unfruchtbaren Selbstkasteiung. ......Buy Now (To Read More)

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Ebook Number: 66499
Author: Sandvoss, Rosalie
Release Date: Oct 9, 2021
Format: eBook
Language: German