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Faust: Ein Gedicht
Inhalt 1. Im Giebelhaus 2. Die schnen Btzerinnen 3. Calvari 4. Dolores 5. Lucretia 6. Die letzte Manto 7. Die heimath 8. Zu Sankt Maria 9. Diana von San Pietra 10. Am Ocean 11. Schn Hertha 12. Die alten Zechner 13. Paraklet 14. Das Elixir des Mnches 15. Beim Schwanenwirth 16. Die Klosterchronik 17. Am finstern See 18. Grinnus 19. Gebrochener Leib Sa personnalit remplissait la nature; On eut dit quavant lui aucune crature Navait soupir, aim, perdu, gmi! Quil tait a lui seul le mot du grand mystre, Et que tonte piti du ciel et de la terre Dt rayonner sur sa fourni. Lamartine. Im Giebelhaus am Platz Ambrosius Wohnt Faust, ein Anatom und Medicus, Ein tief gelehrter und gescheidter Mann, Der manchen Griff, und manchen Schnitt ersann. Das Haus ist weit, mit viel verschlungnen Bogen, Durchkreuzt von finstern Gngen mannichfach, Am Frontispiz mit Schnrkeleien umzogen, Ein alter Thurm ragt aus dem dunkeln Dach. Jetzt blickt zur nchtgen todtenstillen Zeit, Durch eines hohen Fensters runde Scheiben, Ein Lmpchen noch mit dstrer Wachsamkeit, Bei welchem Faustus sitzet um zu schreiben. Er kam unlngst von der Anatomie, Ihn hllet noch das Schwarze Tafft Gewand, Das er bis Abends von des Morgens Frh Vom Leib nicht zog, am Leichnam festgebannt. Auf seinem Antlitz ist viel Ernst zu lesen, Und von Gedanken ohne Maa und Zahl Scheint jeder Zug durchstrmt gewesen, Tief liegt sein Aug voll Gluth und Strahl, Schwarz seine Brte niederhingen Von Lipp und Kinn, und schwarz ist auch sein Haar. Wie war er bleich in dem Gedankenringen, Dem er so lange heut ergeben war. Er legt den Griffel hin, sttzt in die Hand Das Haupt, und murmelnd ordnet er den Gang Der Meditation, der ihm entschwand: Als laut ein Ach! Aus seinem Busen klang. Empor vom Sessel sprang er bald hernach Und also lautete sein Monolog, Wie deren oft in stiller Nacht er sprach, Wenn Weh durch seine Seele flog. Ruft er aus, es wre Zeit, Da sich der stolze Geist, der in dem Hirne Whlet in berspannter Eitelkeit, Hinablie zu der gattenlosen Dirne Natur, die uns das Blut im Herzen kocht, Geheimnivoll und launenhaft verschwiegen Den rothen Saft durch alle Rinnen pocht, Und wie sie will gebietet unsern Zgen. O wir sind blind! Die zhen Nervenstrnge, Die von dem Hirne zu dem Gliedern fhren, Wir halten sie fr herrschaftlich Geprnge Das Weib hat uns an ihren Gngelschnren! O da ich strzen drft mich in den Brand, Aus welchem sie das glhnde Leben siedet, Da mir versnke die verfluchte Wand, An der ich schon zum Wahnsinn mich ermdet! Dahin die bbische Glckseligkeit, Wo ich in meinem Gott zufrieden war, Hatt ich halbweg mit flinker Fertigkeit, Muskel und Nerv geleget blo und baar! Wenn ich am Finger die lateinschen Namen Hermurmelte wie an dem Rosenkranz Gebete, die sich alle schlieen Amen, Beruhigung des grbelnden Verstands! Nicht mehr vermag ich jetzt, wie an dem Scapulier, Das Schandlatein am Leichnam abzubeten; Mich zehrt es auf mit glhender Begier, Und nieder bin ich in den Staub getreten! Fr mein Verlangen giebt es keine Gnade, Fr meinen Kummer kein Madonnenbild, Und fr mein Weh enttrufet keinem Bade, Ein Tropfen Heilung khl und mild! So hab ich als ein Mrder mehr gethan, Und krnker bin ich denn ein gichtisch Weib In meines Busens ungestmen Wahn Der mir zernagt die Seele mit dem Leib! Den Tag trieb ich mich unter Leichenfratzen Im Saale der Anatomie umher; Bei ihren Muskeln die Studenten schwatzen, Ein lauter, lebenslustiger Verkehr! Und gehn sie dann die kecklichen Gefellen, Zum Mdel oder zu dem Glase Bier, La ich die frische Leiche vor mich stellen, Und weil daran mit brennender Begier, Bis blind das Auge, bis die Finger beben, Und so verstreicht die stumme Nacht; Wer mcht nur eine so wie ich durchleben, Und o! Wie viele hab ich schon durchwacht! So redet Faust, und setzt sich wieder hin, Und legt den Kopf auf seine Schreiberei; Die Lampe flimmert bnglich her und hin; Bei jeder Regung zitternd, matt und scheu: Als sie erlischt bis auf den rothen Funken, Der mlig schwindend allgemach verglimmt Und nun die Nacht, im Mondglanz schwrmend, trunken, Des dftern Schatten Bildung bernimmt. Da klopft es an die Thr, verstohlen leis, Sie ffnet sich und einer blickt herein, Zu dem ein anderer sagt, Du Naseweis, La dir doch Zeit, du gierig Hllenschwein! Mach zu! Mach zu! Man drckt die Thre zu, Fort flsterts auf dem wirren, finstern Gange, Zu diesem einen Traum la ihm noch Ruh, Und er ist endlich reif fr deine Zange! Sei sie doch nicht so altklug liebe Tante, Ich bin wahrhaftig just kein Junge mehr! Wie lang nach dem mir schon der Gaumen brannte, Und lange wart ich nun und nimmermehr! Und Faust, von stillem Mondenschein umglht, Am hohen Fenster stumm und einsam kniet. Die schwarze Locke schweift im khlen Wind, Der, wo die Scheiben eingeknicket sind, Hineinweht zu dem blassen, ernsten Mann, Den einem Ber man vergleichen kann. So in die Knieen beugt er sein Gebein, Sein Haupt ruht auf dem Fensterrand von Stein, Wie auf des Betgesthles dunkler Bank; So fliegt die Locke frei und frank, Als trfe sie die de Kirchenluft; Als stnd sein Haar, wie es von oben ruft, Vom Orgelchor, wies von dem Alter schellt, Ihm starr zu Berg: steigt diese irdsche Welt, Dem Menschenkind in wster Nichtigkeit Zum innern Aug ob solcher Heiligkeit; Will es sein schlecht elendiglich Bemhn Auf Ewiges, Unendliches beziehn. So liegt er da, ein simpel Berkind, Doch murmelt er kein Sprchlein s und lind, Wie in dem Dom der unermdlich thut, Da nicht die Hand er leg ans eigene Blut: In starrem, dem Schlafe, wie entseelt, Kniet Faustus da, und was sein Traum erzhlt, Das hat noch keine Menschenbrust vermessen; Wie er erwacht, da ist es fast vergessen, Versunken in unendlich blaue Ferne, Zerronnen gleich dem schnell verglommnen Sterne. Schwarz ausgezackt flieht ein Gewlk am Mond, In dessen Schein sich still die Scheibe sonnt; Schwarz ausgezackt, erzhlt die Chronika, Wie man am Mond die Wolke nimmer sah. Wer mit geweihtem Auge hingeschaut, Erblickt ein Bild des Schreckens, drob ihm graut; Dem Drachen gleich, vergleichbar den Hynen, Das trug ein dunkles Kreuz in seinen Zhnen Zerrollt, zerknickt wie morsches Fensterblei, So fliegt es an dem glimmen Mond vorbei. Wie knirscht es im Metalle mit dem Zahne, Wie drehet sich des Domes Wetterfahne! Der ist erwacht: sein Aug blickt stier und scheu, Rings auf das wste, gothische Gebu, Und einsam eine Thrne drinnen zittert Nicht solche, wie gerhret und erschttert Selbst starke Mnner nicht verschmhn zu weinen; Es war das Na, das demuthsvolle Greinen, Das eines Menschen bldes Aug durchbricht, Schauts in ein sengendes unsterblich Licht, Ein Nebelhauch, in den die Seel sich kleidet, Die winzge Gttin, wenn beschmt sie leidet: Und er beginnt: den krzsten Augenblick O lat mich noch an diesem Wahn mich weiden! Es ist ein hohes, unertrglich Glck, Dann wie ihr wollt, murr ich mein altes Leiden! O dies Erwachen war so leer und grlich, Als wenn der Nonne, die im Burgverlie Fest eingesargt, an Gnaden unermelich Der Schlaf die Scherbe khlen Tranks verhie. Sie beugt sich nach dem Wonnetrank, Der, wie sie trinkt, in des Nichts zersank. Und wie sie ffnet nun das Augenlied Die blutge Geiel drohend niedersteht. Wie er so murrend mit sich selber spricht, Sieht unten er im falben Mondenlicht, Zween nrrsche, menschliche Gestalten hpfen, Die um die Eck am Dom Ambrosii schlpfen. Rasch sind sie fort: und nur ein rother Schein Flirrt ihm im Aug von einem Mntelein. Das andre hat ihm einem Weib geglichen Im gelben Rock mit blutig rothen Strichen. Drr wie die Spindel, dnner als die Mcke, Rasch wie der Wind, trgt sie doch eine Krcke. Ihm graute fast: er starret durch die Scheiben, Als ob sie noch vor seinen Blicken stnden; Dann wieder setzt er sich zu schreiben, Wo ihn am Tisch noch die Patienten finden. Faust steht auf seinem Astrologium, Dem hochgemauerten, uralten Thurme, Die Nacht ist klar, und er schaut ernst und stumm Zur Stadt hinab, dem finstern Erdenwurme. So sah ich, redet er nach langem Schweigen, Auf dieser Welt das Mondlicht nimmer ruhn, Ich sah es nur in der Planeten Reigen: Nichts macht ich ihm mit dieser Welt zu thun. Ja! Ich begreifs! Der durch den Aether weht, Der Strahl vom Hauch der Gtter angefacht, So himmelsklar voll Majestt, Er kann begeistern in der irdschen Nacht! Er, der des Raumes Unermelichkeit Durchflog, in diesem miserablen Herz, Zndt er Verlangen, banges, wildes Leid, Und tiefer Sehnsucht bodenlosen Schmerz. In diesem Auge malt er seinen Brand, Von dieser schwanken, menschlichen Gestalt Wirft er den Schatten auf der Erde Sand! So fesselt sich mit hhnender Gewalt Das irdische den Unermelichkeiten Und eben so strzt uns der bleiche Tod In unbegriffene Unbndigkeiten! Nur hier verschmachten wir in enger Noth! Verflucht der Morgen, welcher angegraut Mir in das bernchtge Aug geblickt, Wenn ich den Kopf, als s ich bei der Braut, Dem Leichnam auf die faule Brust gebckt! Verflucht der dumpfen Nacht Alleinsamkeit Da das Scalpell mir in der Hand geblitzt, Fluch meiner Brust mit ihrem wsten Leid, Das noch um keinen Schritt mir hat gentzt! Ich wei nicht mehr als der elende Fant, Der Ader lt mit prahlender Lanzette, Und wenn mir fast die Augen ausgebrannt, Bei seinem Weibe schmort im warmen Bette. Du dumpfer, ernster Gott! Bist du noch wach? Und siehst mich hier im alten, den Thurme, Mit bangem Herzen auf dem Trmmerdach, Umweht von meiner Leiden Flammensturme! Du kannst mich erhren, bin ich dein Sohn, O mir gengt das kleinste, was du giebst, Doch, ich erliege diesem kalten Hohn, Den du so stumm verachtend an mir bst! Ich trag es nicht, im abgetretnen Schmerz Der Menschenbrust verzehr auch ich mein Sein, Thorheit im Kopf und Sehnsucht in dem Herz, So geh ich fort, und so trat hier ich ein! So redet er in stummer Mondesnacht, Stumm wandeln sich die schwrzlichen Gestalten, Hier wird was breit, dort etwas spitz gemacht, Und also fort in melancholschem Walten. Da gellt es schrill mit einem Mal Empor zu ihm: salve mi Faustule! Dem schwindelt auf des Thurmes Hh, Er schaut entsetzt hinab ins dunkle Thal. Und bald gar klopft es an die Thr, Er ruft: herein! mit todtenbleichem Munde. Da tritt mit Anstand und mit Hofmanier Ein Mann aus der Fallthre Grunde. Und grt noch einmal gar bescheidentlich: Ein blutroth Mntlein weht ihm um die Glieder, Den Sporn am Fue trgt er ritterlich, Von gelber Mtze schwankt die Feder nieder; Sein aufgedunsen Angesicht Sieht zwar gar gelb und etwas abgelebt; Doch liest man drauf des Herren Alter nicht, Die Spur der Zeit sich nicht darin begrbt. Am Kinne prangt der rothe Bart, Und was vom Haupthaar ist zu sehen, Ist rthlich auch; und nach moderner Art Zween groe Locken auf den Schlfen stehen. Wie Faustus diesen Herrn erblickt, Und ihm in sein Gesichte sieht, Ins wilde Aug, das fest auf ihn gezckt Seltsamen Glanzes, so begehrlich glht: Errth er bald, wer der Besucher sei, Schlgts kreuz und rufet: Satan heb dich weg! Ha! hohnlacht der, und nun bei meiner Treu, Die abgenutzte Phrase lat doch weg; Die ward bereits von Millionen Zungen Gar laut und barsch entgegen mir gebrllt; Und bald darauf hat man mich freundschaftlich umschlungen, Von meiner Dienste Nutzbarkeit erfllt! Faust Doch einer wars, der warf damit dich nieder! Mephisto Sist lange her, das hat nicht mehr Gewicht, Doch la mich erst zu Athem wieder, Die Stieg ist jh, und machte mich zu nicht. Wie sich der Teufel nun verschnaubt, Sich ruspert und sich in den Haaren klaubt, Sttzt Faust den Kopf in seine heie Hand, Und lehnt sich auf den Mauerrand. So starrt er nieder in die Mondesgluth, In finsterm, fieberhaftem Brten: Sein herbes Leid ist wach in aller Wuth: murmelt er, wer mchte mich behten! Mephisto beugt sich traulich zu ihm vor, Und um den Hals er seinen Arm ihm legt, Dann flstert er gar leif ihm in das Ohr So rasch, so rasch, da kaum den Mund er regt. Kein einzig Wort ist dem entgangen, Wie berflog der Wechsel der Gefhle Ihm seine Stirn, ihm seine kranken Wangen, In aufgeregtem, geisterhaften Spiele. Das dauert lang, schon war der Mond verschwunden, Des Morgens dstrer Nebelflor flog auf, Noch immer hat kein Ende der gefunden, Da chzet Faust: ich bitte dich, hr auf! Es ist genug fr dreimal! Sei nun still! Und willst du, fragte der, auf Tod und Leben? Nimm meine Hand, sprich ernsthaft Faust, ich will, Und bin dir nun und immerdar ergeben! ......Buy Now (To Read More)
Ebook Number: 54730
Author: Nürnberger, Woldemar
Release Date: May 15, 2017
Format: eBook
Language: German
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