Der Neuen Gedichte: Anderer Teil

Der Neuen Gedichte: Anderer Teil

Der Neuen Gedichte: Anderer Teil ARCHASCHER TORSO APOLLOS Wir kannten nicht sein unerhrtes Haupt, darin die Augenpfel...
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Author: Rilke, Rainer Maria,1875-1926
Format: eBook
Language: German
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Author: Rilke, Rainer Maria,1875-1926
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Der Neuen Gedichte: Anderer Teil

ARCHASCHER TORSO APOLLOS Wir kannten nicht sein unerhrtes Haupt, darin die Augenpfel reiften. Aber sein Torso glht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurckgeschraubt, sich hlt und glnzt. Sonst knnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden knnte nicht ein Lcheln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug. Sonst stnde dieser Stein entstellt und kurz unter der Schultern durchsichtigem Sturz und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle und brche nicht aus allen seinen Rndern aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du mt dein Leben ndern. KRETISCHE ARTEMIS Wind der Vorgebirge: war nicht ihre Stirne wie ein lichter Gegenstand? Glatter Gegenwind der leichten Tiere, formtest du sie: ihr Gewand bildend an die unbewuten Brste wie ein wechselvolles Vorgefhl? Whrend sie, als ob sie alles wte, auf das Fernste zu, geschrzt und khl, strmte mit den Nymphen und den Hunden, ihren Bogen probend, eingebunden in den harten hohen Gurt; manchmal nur aus fremden Siedelungen angerufen und erzrnt bezwungen von dem Schreien um Geburt. LEDA Als ihn der Gott in seiner Not betrat, erschrak er fast, den Schwall so schn zu finden; er lie sich ganz verwirrt in ihm verschwinden. Schon aber trug ihn sein Betrug zur Tat, bevor er noch des unerprobten Seins Gefhle prfte. Und die Aufgetane erkannte schon den Kommenden im Schwane und wute schon: er bat um eins, das sie, verwirrt in ihrem Widerstand, nicht mehr verbergen konnte. Er kam nieder, und halsend durch die immer schwchre Hand lie sich der Gott in die Geliebte los. Dann erst empfand er glcklich sein Gefieder und wurde wirklich Schwan in ihrem Scho. DELPHINE Jene Wirklichen, die ihrem Gleichen berall zu wachsen und zu wohnen gaben, fhlten an verwandten Zeichen Gleiche in den aufgelsten Reichen, die der Gott, mit triefenden Tritonen, berstrmt bisweilen bersteigt; denn da hatte sich das Tier gezeigt: anders als die stumme, stumpfgemute Zucht der Fische, Blut von ihrem Blute, und von fern dem Menschlichen geneigt. Eine Schar kam, die sich berschlug, froh, als fhlte sie die Fluten glnzend: Warme, Zugetane, deren Zug wie mit Zuversicht die Fahrt bekrnzend, leichtgebunden um den runden Bug wie um einer Vase Rumpf und Rundung, selig, sorglos, sicher vor Verwundung, aufgerichtet, hingerissen, rauschend und im Tauchen mit den Wellen tauschend die Trireme heiter weitertrug. Und der Schiffer nahm den neugewhrten Freund in seine einsame Gefahr und ersann fr ihn, fr den Gefhrten, dankbar eine Welt und hielt fr wahr, da er Tne liebte, Gtter, Grten und das tiefe, stille Sternenjahr. DIE INSEL DER SIRENEN Wenn er denen, die ihm gastlich waren, spt, nach ihrem Tage noch, da sie fragten nach den Fahrten und Gefahren, still berichtete: er wute nie, wie sie schrecken und mit welchem jhen Wort sie wenden, da sie so wie er in dem blau gestillten Inselmeer die Vergoldung jener Inseln shen, deren Anblick macht, da die Gefahr umschlgt; denn nun ist sie nicht im Tosen und im Wten, wo sie immer war: lautlos kommt sie ber die Matrosen, welche wissen, da es dort auf jenen goldnen Inseln manchmal singt, und sich blindlings in die Ruder lehnen, wie umringt von der Stille, die die ganze Weite in sich hat und an die Ohren weht, so als wre ihre andre Seite der Gesang, dem keiner widersteht. KLAGE UM ANTINOUS Keiner begriff mir von euch den bithynischen Knaben (da ihr den Strom anfatet und von ihm hbt...). Ich verwhnte ihn zwar. Und dennoch: wir haben ihn nur mit Schwere erfllt und fr immer getrbt. Wer vermag denn zu lieben? Wer kann es?Noch keiner. Und so hab ich unendliches Weh getan. Nun ist er am Nil der stillenden Gtter einer, und ich wei kaum welcher und kann ihm nicht nahn. Und ihr warfet ihn noch, Wahnsinnige, bis in die Sterne, damit ich euch rufe und drnge: meint ihr den? Was ist er nicht einfach ein Toter. Er wre es gerne. Und vielleicht wre ihm nichts geschehn. DER TOD DER GELIEBTEN Er wute nur vom Tod, was alle wissen: da er uns nimmt und in das Stumme stt. Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen, nein, leis aus seinen Augen ausgelst, hinberglitt zu unbekannten Schatten, und als er fhlte, da sie drben nun wie einen Mond ihr Mdchenlcheln hatten und ihre Weise wohlzutun: da wurden ihm die Toten so bekannt, als wre er durch sie mit einem jeden ganz nah verwandt; er lie die andern reden und glaubte nicht und nannte jenes Land das gutgelegene, das immerse. Und tastete es ab fr ihre Fe. KLAGE UM JONATHAN Ach, sind auch Knige nicht von Bestand und drfen hingehn wie gemeine Dinge, obwohl ihr Druck wie der der Siegelringe sich widerbildet in das weiche Land. Wie aber konntest du, so angefangen mit deines Herzens Initial, aufhren pltzlich: Wrme meiner Wangen. O da dich einer noch einmal erzeugte, wenn sein Samen in ihm glnzt. Irgendein Fremder sollte dich zerstren, und der dir innig war, ist nichts dabei und mu sich halten und die Botschaft hren; wie wunde Tiere auf den Lagern lhren, mcht ich mich legen mit Geschrei: denn da und da, an meinen scheusten Orten, bist du mir ausgerissen wie das Haar, das in den Achselhhlen wchst und dorten, wo ich ein Spiel fr Frauen war, bevor du meine dort verfitzten Sinne aufstrhntest, wie man einen Knaul entflicht; da sah ich auf und wurde deiner inne: jetzt aber gehst du mir aus dem Gesicht. TRSTUNG DES ELIA Er hatte das getan und dies, den Bund wie jenen Altar wieder aufzubauen, zu dem sein weitgeschleudertes Vertrauen zurck als Feuer fiel von ferne, und hatte er dann nicht Hunderte zerhauen, weil sie ihm stanken mit dem Baal im Mund, am Bache schlachtend bis ans Abendgrauen, das mit dem Regengrau sich gro verband? Doch als ihn von der Knigin der Bote nach solchem Werktag antrat und bedrohte, da lief er wie ein Irrer in das Land, so lange, bis er unterm Ginsterstrauche wie weggeworfen aufbrach in Geschrei, das in der Wste brllte: Gott, gebrauche mich lnger nicht. Ich bin entzwei. Doch grade da kam ihn der Engel tzen mit einer Speise, die er tief empfing, so da er lange dann an Weidepltzen und Wassern immer zum Gebirge ging, zu dem der Herr um seinetwillen kam: im Sturme nicht und nicht im Sich-Zerspalten der Erde, der entlang in schweren Falten ein leeres Feuer ging, fast wie aus Scham ber des Ungeheuren ausgeruhtes Hinstrzen zu dem angekommnen Alten, der ihn im sanften Sausen seines Blutes erschreckt und zugedeckt vernahm. SAUL UNTER DEN PROPHETEN Meinst du denn, da man sich sinken sieht? Nein, der Knig schien sich noch erhaben, da er seinen starken Harfenknaben tten wollte bis ins zehnte Glied. Erst da ihn der Geist auf solchen Wegen berfiel und auseinanderri, sah er sich im Innern ohne Segen, und sein Blut ging in der Finsternis aberglubig dem Gericht entgegen. Wenn sein Mund jetzt troff und prophezeite, war es nur, damit der Flchtling weit flchten knne. So war dieses zweite Mal. Doch einst: er hatte prophezeit fast als Kind, als ob ihm jede Ader mndete in einen Mund aus Erz; alle schritten, doch er schritt gerader; alle schrieen, doch ihm schrie das Herz. Und nun war er nichts als dieser Haufen umgestrzter Wrden, Last auf Last; und sein Mund war wie der Mund der Traufen, der die Gsse, die zusammenlaufen, fallen lt, eh er sie fat. SAMUELS ERSCHEINUNG VOR SAUL Da schrie die Frau zu Endor auf: Ich sehe Der Knig packte sie am Arme: Wen? Und da die Starrende beschrieb, noch ehe, da war ihm schon, er htte selbst gesehn: den, dessen Stimme ihn noch einmal traf: Was strst du mich? Ich habe Schlaf. Willst du, weil dir die Himmel fluchen, und weil der Herr sich vor dir schlo und schwieg, in meinem Mund nach einem Siege suchen? Soll ich dir meine Zhne einzeln sagen? Ich habe nichts als sie.... Es schwand. Da schrie das Weib, die Hnde vors Gesicht geschlagen, als ob sie's sehen mte: Unterlieg Und er, der in der Zeit, die ihm gelang, das Volk wie ein Feldzeichen berragte, fiel hin, bevor er noch zu klagen wagte: so sicher war sein Untergang. Die aber, die ihn wider Willen schlug, hoffte, da er sich fate und verge; und als sie hrte, da er nie mehr e, ging sie hinaus und schlachtete und buk und brachte ihn dazu, da er sich setzte; er sa wie einer, der zu viel vergit: alles, was war, bis auf das Eine, Letzte. Dann a er, wie ein Knecht zu Abend it. EIN PROPHET Ausgedehnt von riesigen Gesichten, hell vom Feuerschein aus dem Verlauf der Gerichte, die ihn nie vernichten, sind die Augen, schauend unter dichten Brauen. Und in seinem Innern richten sich schon wieder Worte auf, nicht die seinen (denn was wren seine, und wie schonend wren sie vertan), andre, harte: Eisenstcke, Steine, die er schmelzen mu wie ein Vulkan, um sie in dem Ausbruch seines Mundes auszuwerfen, welcher flucht und flucht; whrend seine Stirne, wie des Hundes Stirne, das zu tragen sucht, was der Herr von seiner Stirne nimmt: Dieser, Dieser, den sie alle fnden, folgten sie den groen Zeigehnden, die Ihn weisen, wie Er ist: ergrimmt. JEREMIAS Einmal war ich weich wie frher Weizen, doch, du Rasender, du hast vermocht, mir das hingehaltne Herz zu reizen, da es jetzt wie eines Lwen kocht. Welchen Mund hast du mir zugemutet, damals, da ich fast ein Knabe war: eine Wunde wurde er: nun blutet aus ihm Unglcksjahr um Unglcksjahr. Tglich tnte ich von neuen Nten, die du, Unersttlicher, ersannst, und sie konnten mir den Mund nicht tten; sieh du zu, wie du ihn stillen kannst, wenn, die wir zerstoen und zerstren, erst verloren sind und fernverlaufen und vergangen sind in der Gefahr: denn dann will ich in den Trmmerhaufen endlich meine Stimme Wiederhren, die von Anfang an ein Heulen war. EINE SIBYLLE Einst, vor Zeiten, nannte man sie alt. Doch sie blieb und kam dieselbe Strae tglich. Und man nderte die Mae, und man zhlte sie wie einen Wald nach Jahrhunderten. Sie aber stand jeden Abend auf derselben Stelle, schwarz wie eine alte Zitadelle, hoch und hohl und ausgebrannt; von den Worten, die sich unbewacht wider ihren Willen in ihr mehrten, immerfort umschrieen und umflogen, whrend die schon wieder heimgekehrten dunkel unter ihren Augenbogen saen, fertig fr die Nacht. ABSALOMS ABFALL Sie hoben sie mit Geblitz: der Sturm aus den Hrnern schwellte seidene, breitgewellte Fahnen. Der herrlich Erhellte nahm im hoch offenen Zelte, das jauchzendes Volk umstellte, zehn Frauen in Besitz, die (gewohnt an des alternden Frsten sparsame Nacht und Tat) unter seinem Drsten wogten wie Sommersaat. Dann trat er heraus zum Rate, wie vermindert um nichts, und jeder, der ihm nahte, erblindete seines Lichts. So zog er auch den Heeren voran wie ein Stern dem Jahr; ber allen Speeren wehte sein warmes Haar, das der Helm nicht fate und das er manchmal hate, weil es schwerer war als seine reichsten Kleider. Der Knig hatte geboten, da man den Schnen schone. Doch man sah ihn ohne Helm an den bedrohten Orten die rgsten Knoten zu roten Stcken von Toten auseinanderhaun. Dann wute lange keiner von ihm, bis pltzlich einer schrie: Er hngt dort hinten an den Terebinthen mit hochgezogenen Braun. Das war genug des Winks. Joab, wie ein Jger, ersphte das Haar: ein schrger gedrehter Ast: da hings. Er durchrannte den schlanken Klger, und seine Waffentrger durchbohrten ihn rechts und links. ESTHER Die Dienerinnen kmmten sieben Tage die Asche ihres Grams und ihrer Plage Neige und Niederschlag aus ihrem Haar und trugen es und sonnten es im Freien und speisten es mit reinen Spezereien noch diesen Tag und den: dann aber war die Zeit gekommen, da sie ungeboten, zu keiner Frist, wie eine von den Toten den drohend offenen Palast betrat, um gleich, gelegt auf ihre Kammerfrauen, am Ende ihres Weges den zu schauen, an dem man stirbt, wenn man ihm naht. Er glnzte so, da sie die Kronrubine aufflammen fhlte, die sie an sich trug; sie fllte sich ganz rasch mit seiner Miene wie ein Gef und war schon voll genug und flo schon ber von des Knigs Macht, bevor sie noch den dritten Saal durchschritt, der sie mit seiner Wnde Malachit grn berlief. Sie hatte nicht gedacht, so langen Gang zu tun mit allen Steinen, die schwerer wurden von des Knigs Scheinen und kalt von ihrer Angst. Sie ging und ging. Und als sie endlich fast von nahe ihn, aufruhend auf dem Thron von Turmalin, sich trmen sah, so wirklich wie ein Ding: empfing die rechte von den Dienerinnen die Schwindende und hielt sie zu dem Sitze. Er rhrte sie mit seines Zepters Spitze; und sie begriff es ohne Sinne, innen. DER AUSSTZIGE KNIG Da trat auf seiner Stirn der Aussatz aus und stand auf einmal unter seiner Krone, als war er Knig ber allen Graus, der in die andern fuhr, die fassungsohne hinstarrten nach dem furchtbaren Vollzug an jenem, welcher, schmal wie ein Verschnrter, erwartete, da einer nach ihm schlug; doch noch war keiner Manns genug: als machte ihn nur immer unberhrter die neue Wrde, die sich bertrug. LEGENDE VON DEN DREI LEBENDIGEN UND DEN DREI TOTEN Drei Herren hatten mit Falken gebeizt und freuten sich auf das Gelag. Da nahm sie der Greis in Beschlag und fhrte. Die Reiter hielten gespreizt vor dem dreifachen Sarkophag, der ihnen dreimal entgegenstank, in den Mund, in die Nase, ins Sehn; und sie wuten es gleich: da lagen lang drei Tote mitten im Untergang und lieen sich grlich gehn. Und sie hatten nur noch ihr Jgergehr reinlich hinter dem Sturmbandlr; doch da zischte der Alte sein: Sie gingen nicht durch das Nadelhr und gehen niemalshinein. Nun blieb ihnen noch ihr klares Getast, das stark war vom Jagen und hei; doch das hatte ein Frost von hinten gefat und trieb ihm Eis in den Schwei. DER KNIG VON MNSTER Der Knig war geschoren; nun ging ihm die Krone zu weit und bog ein wenig die Ohren, in die von Zeit zu Zeit gehssiges Gelrme aus Hungermulern fand. Er sa, von wegen der Wrme, auf seiner rechten Hand, mrrisch und schwergesig. Er fhlte sich nicht mehr echt: der Herr in ihm war mig, und der Beischlaf war schlecht. TOTENTANZ Sie brauchen kein Tanz-Orchester; sie hren in sich ein Geheule, als wren sie Eulennester. Ihr ngsten nt wie eine Beule, und der Vorgeruch ihrer Fule ist noch ihr bester Geruch. Sie fassen den Tnzer fester, den rippenbetreten Tnzer, den Galan, den echten Ergnzer zu einem ganzen Paar. Und er lockert der Ordensschwester ber dem Haar das Tuch; sie tanzen ja unter Gleichen. Und er zieht der wachslichtbleichen leise die Lesezeichen aus ihrem Stunden-Buch. Bald wird ihnen allen zu hei, sie sind zu reich gekleidet; beiender Schwei verleidet ihnen Stirne und Stei und Schauben und Hauben und Steine; sie wnschen, sie wren nackt wie ein Kind, ein Verrckter und Eine: die tanzen noch immer im Takt. DAS JNGSTE GERICHT So erschrocken, wie sie nie erschraken, ohne Ordnung, oft durchlocht und locker, hocken sie in dem geborstnen Ocker ihres Ackers, nicht von ihren Laken abzubringen, die sie liebgewannen. Aber Engel kommen an, um le einzutrufeln in die trocknen Pfannen und um jedem in die Achselhhle das zu legen, was er in dem Lrme damals seines Lebens nicht entweihte; denn dort hat es noch ein wenig Wrme, da es nicht des Herren Hand erklte oben, wenn er es aus jeder Seite leise greift, zu fhlen, ob es glte. DIE VERSUCHUNG Nein, es half nicht, da er sich die scharfen Stacheln einhieb in das geile Fleisch; alle seine trchtigen Sinne warfen unter kreiendem Gekreisch Frhgeburten: schiefe, hingeschielte kriechende und fliegende Gesichte, Nichte, deren nur auf ihn erpichte Bosheit sich verband und mit ihm spielte. Und schon hatten seine Sinne Enkel; denn das Pack war fruchtbar in der Nacht und in immer bunterem Gesprenkel hingehudelt und verhundertfacht. Aus dem Ganzen ward ein Trank gemacht: seine Hnde griffen lauter Henkel, und der Schatten schob sich auf wie Schenkel warm und zu Umarmungen erwacht. Und da schrie er nach dem Engel, schrie: und der Engel kam in seinem Schein und war da: und jagte sie wieder in den Heiligen hinein, da er mit Geteufel und Getier in sich weiterringe wie seit Jahren und sich Gott, den lange noch nicht klaren, innen aus dem Jsen destillier. DER ALCHIMIST Seltsam verlchelnd schob der Laborant den Kolben fort, der halbberuhigt rauchte. Er wute jetzt, was er noch brauchte, damit der sehr erlauchte Gegenstand da drin entstnde. Zeiten brauchte er. Jahrtausende fr sich und diese Birne, in der es brodelte; im Hirn Gestirne und im Bewutsein mindestens das Meer. Das Ungeheuere, das er gewollt, er lie es los in dieser Nacht. Es kehrte zurck zu Gott und in sein altes Ma; er aber, lallend wie ein Trunkenbold, lag ber dem Geheimfach und begehrte den Brocken Gold, den er besa. DER RELIQUIENSCHREIN Drauen wartete auf alle Ringe und auf jedes Kettenglied Schicksal, das nicht ohne sie geschieht. Drinnen waren sie nur Dinge, Dinge, die er schmiedete; denn vor dem Schmied war sogar die Krone, die er bog, nur ein Ding, ein zitterndes und eines, das er finster wie im Zorn erzog zu dem Tragen eines reinen Steines. Seine Augen wurden immer klter von dem kalten tglichen Getrnk; aber als der herrliche Behlter (goldgetrieben, kstlich, vielkartig) fertig vor ihm stand, das Weihgeschenk, da darin ein kleines Handgelenk frder wohne, wei und wunderttig: blieb er ohne Ende auf den Knien, hingeworfen, weinend, nicht mehr wagend, seine Seele niederschlagend vor dem ruhigen Rubin, der ihn zu gewahren schien und ihn, pltzlich um sein Dasein fragend, ansah wie aus Dynastien. DAS GOLD Denk es wre nicht: es htte mssen endlich in den Bergen sich gebren und sich niederschlagen in den Flssen aus dem Wollen, aus dem Gren ihres Willens; aus der Zwangidee, da ein Erz ist ber allen Erzen. Weithin warfen sie aus ihren Herzen immer wieder Mero an den Rand der Lande, in den ther, ber das Erfahrene hinaus; und die Shne brachten manchmal spter das Verheiene der Vter, abgehrtet und verhehrt, nach Haus, wo es anwuchs eine Zeit, um dann fortzugehn von den an ihm Geschwchten, die es niemals liebgewann. Nur (so sagt man) in den letzten Nchten steht es auf und sieht sie an. DER STYLIT Vlker schlugen ber ihm zusammen, die er kren durfte und verdammen; und erratend, da er sich verlor, klomm er aus dem Volksgeruch mit klammen Hnden einen Sulenschaft empor, der noch immer stieg und nichts mehr hob, und begann, allein auf seiner Flche, ganz von vorne seine eigne Schwche zu vergleichen mit des Herren Lob; und da war kein Ende: er verglich; und der andre wurde immer grer. Und die Hirten, Ackerbauer, Fler sahn ihn klein und auer sich immer mit dem ganzen Himmel reden, eingeregnet manchmal, manchmal licht; und sein Heulen strzte sich auf jeden, so als heulte er ihm ins Gesicht. Doch er sah seit Jahren nicht, wie der Menge Drngen und Verlauf unten unaufhrlich sich ergnzte, und das Blanke an den Frsten glnzte lange nicht so hoch hinauf. Aber wenn er oben, fast verdammt und von ihrem Widerstand zerschunden, einsam mit verzweifeltem Geschreie schttelte die tglichen Dmonen: fielen langsam auf die erste Reihe schwer und ungeschickt aus seinen Wunden groe Wrmer in die offnen Kronen und vermehrten sich im Samt. DIE GYPTISCHE MARIA Seit sie damals, betthei, als die Hure bern Jordan floh und, wie ein Grab gebend, stark und unvermischt das pure Herz der Ewigkeit zu trinken gab, wuchs ihr frhes Hingegebensein unaufhaltsam an zu solcher Gre, da sie endlich, wie die ewige Ble aller, aus vergilbtem Elfenbein dalag in der drren Haare Schelfe. Und ein Lwe kreiste; und ein Alter rief ihn winkend an, da er ihm helfe: (und so gruben sie zu zwein.) Und der Alte neigte sie hinein. Und der Lwe, wie ein Wappenhalter, sa dabei und hielt den Stein. KREUZIGUNG Lngst gebt, zum kahlen Galgenplatze irgendein Gesindel hinzudrngen, lieen sich die schweren Knechte hngen, dann und wann nur eine groe Fratze kehrend nach den abgetanen Drein. Aber oben war das schlechte Henkern rasch getan; und nach dem Fertigsein lieen sich die freien Mnner schlenkern. Bis der eine (fleckig wie ein Selcher) sagte: Hauptmann, dieser hat geschrien. Und der Hauptmann sah vom Pferde: Welcher? und es war ihm selbst, er htte ihn den Elia rufen hren. Alle waren zuzuschauen voller Lust, und sie hielten, da er nicht verfalle, gierig ihm die ganze Essiggalle an sein schwindendes Gehust. Denn sie hofften noch ein ganzes Spiel und vielleicht den kommenden Elia. Aber hinten ferne schrie Maria, und er selber brllte und verfiel. DER AUFERSTANDENE Er vermochte niemals bis zuletzt ihr zu weigern oder abzuneinen, da sie ihrer Liebe sich berhme; und sie sank ans Kreuz in dem Kostme eines Schmerzes, welches ganz besetzt war mit ihrer Liebe grten Steinen. Aber da sie dann, um ihn zu salben, an das Grab kam, Trnen im Gesicht, war er auferstanden ihrethalben, da er seliger ihr sage: Nicht Sie begriff es erst in ihrer Hhle, wie er ihr, gestrkt durch seinen Tod, endlich das Erleichternde der le und des Rhrens Vorgefhl verbot, um aus ihr die Liebende zu formen, die sich nicht mehr zum Geliebten neigt, weil sie, hingerissen von enormen Strmen, seine Stimme bersteigt. MAGNIFIKAT Sie kam den Hang herauf, schon schwer, fast ohne an Trost zu glauben, Hoffnung oder Rat; doch da die hohe tragende Matrone ihr ernst und stolz entgegentrat und alles wute ohne ihr Vertrauen, da war sie pltzlich an ihr ausgeruht; vorsichtig hielten sich die vollen Frauen, bis da die junge sprach: Mir ist zumut, als wr ich, Liebe, von nun an fr immer. Gott schttet in der Reichen Eitelkeit fast ohne hinzusehen ihren Schimmer; doch sorgsam sucht er sich ein Frauenzimmer und fllt sie an mit seiner fernsten Zeit. Da er mich fand. Bedenk nur; und Befehle um meinetwillen gab von Stern zu Stern. Verherrliche und hebe, meine Seele, so hoch du kannst: den Herrn. ADAM Staunend steht er an der Kathedrale steilem Aufstieg, nah der Fensterrose, wie erschreckt von der Apotheose, welche wuchs und ihn mit einem Male niederstellte ber die und die. Und er ragt und freut sich seiner Dauer schlicht entschlossen; als der Ackerbauer, der begann und der nicht wute, wie aus dem fertig-vollen Garten Eden einen Ausweg in die neue Erde finden. Gott war schwer zu berreden; und er drohte ihm, statt zu gewhren, immer wieder, da er sterben werde. Doch der Mensch bestand: sie wird gebren. EVA Einfach steht sie an der Kathedrale groem Aufstieg, nah der Fensterrose, mit dem Apfel in der Apfelpose, schuldlos-schuldig ein fr alle Male an dem Wachsenden, das sie gebar, seit sie aus dem Kreis der Ewigkeiten liebend fortging, um sich durchzustreiten durch die Erde, wie ein junges Jahr. Ach, sie htte gern in jenem Land noch ein wenig weilen mgen, achtend auf der Tiere Eintracht und Verstand. Doch da sie den Mann entschlossen fand, ging sie mit ihm, nach dem Tode trachtend, und sie hatte Gott noch kaum gekannt. IRRE IM GARTEN DIJON Noch schliet die aufgegebene Karthause sich um den Hof, als wrde etwas heil. Auch die sie jetzt bewohnen, haben Pause und nehmen nicht am Leben drauen teil. Was irgend kommen konnte, das verlief. Nun gehn sie gerne mit bekannten Wegen und trennen sich und kommen sich entgegen, als ob sie kreisten, willig, primitiv. Zwar manche pflegen dort die Frhlingsbeete, demtig, drftig, hingekniet; aber sie haben, wenn es keiner sieht, eine verheimlichte, verdrehte Gebrde fr das zarte frhe Gras, ein prfendes, verschchtertes Liebkosen: denn das ist freundlich, und das Rot der Rosen wird vielleicht drohend sein und berma und wird vielleicht schon wieder bersteigen, was ihre Seele wiederkennt und wei. Dies aber lt sich noch verschweigen: wie gut das Gras ist und wie leis. DIE IRREN Und sie schweigen, weil die Scheidewnde weggenommen sind aus ihrem Sinn, und die Stunden, da man sie verstnde, heben an und gehen hin. Nchtens oft, wenn sie ans Fenster treten: pltzlich ist es alles gut. Ihre Hnde liegen im Konkreten, und das Herz ist hoch und knnte beten, und die Augen schauen ausgeruht auf den unverhofften, oftentstellten Garten im beruhigten Geviert, der im Widerschein der fremden Welten weiterwchst und niemals sich verliert. AUS DEM LEBEN EINES HEILIGEN Er kannte ngste, deren Eingang schon wie Sterben war und nicht zu berstehen. Sein Herz erlernte, langsam durchzugehen; er zog es gro wie einen Sohn. Und namenlose Nte kannte er, finster und ohne Morgen wie Verschlge; und seine Seele gab er folgsam her, da sie erwachsen war, auf da sie lge bei ihrem Brutigam und Herrn; und blieb allein zurck an einem solchen Orte, wo das Alleinsein alles bertrieb, und wohnte weit und wollte niemals Worte. Aber dafr, nach Zeit und Zeit, erfuhr er auch das Glck, sich in die eignen Hnde, damit er eine Zrtlichkeit empfnde, zu legen wie die ganze Kreatur. DIE BETTLER Du wutest nicht, was den Haufen ausmacht. Ein Fremder fand Bettler darin. Sie verkaufen das Hohle aus ihrer Hand. Sie zeigen dem Hergereisten ihren Mund voll Mist, und er darf (er kann es sich leisten) sehn, wie ihr Aussatz frit. Es zergeht in ihren zerrhrten Augen sein fremdes Gesicht; und sie freuen sich des Verfhrten und speien, wenn er spricht. FREMDE FAMILIE So wie der Staub, der irgendwie beginnt und nirgends ist, zu unerklrtem Zwecke an einem leeren Morgen in der Ecke, in die man sieht, ganz rasch zu Grau gerinnt, so bildeten sie sich, wer wei aus was, im letzten Augenblick vor deinen Schritten und waren etwas Ungewisses mitten im nassen Niederschlag der Gasse, das nach dir verlangte. Oder nicht nach dir. Denn eine Stimme, wie vom vorigen Jahr, sang dich zwar an und blieb doch ein Geweine; und eine Hand, die wie geliehen war, kam zwar hervor und nahm doch nicht die deine. Wer kommt denn noch? Wen meinen diese vier? LEICHEN WSCHE Sie hatten sich an ihn gewhnt. Doch als die Kchenlampe kam und unruhig brannte im dunkeln Luftzug, war der Unbekannte ganz unbekannt. Sie wuschen seinen Hals, und da sie nichts von seinem Schicksal wuten, so logen sie ein anderes zusamm, fortwhrend waschend. Eine mute husten und lie solang den schweren Essigschwamm auf dem Gesicht. Da gab es eine Pause auch fr die zweite. Aus der harten Brste klopften die Tropfen; whrend seine grause gekrampfte Hand dem ganzen Hause beweisen wollte, da ihn nicht mehr drste. Und er bewies. Sie nahmen wie betreten eiliger jetzt mit einem kurzen Huster die Arbeit auf, so da an den Tapeten ihr krummer Schatten in dem stummen Muster sich wand und wlzte wie in einem Netze, bis da die Waschenden zu Ende kamen. Die Nacht im vorhanglosen Fensterrahmen war rcksichtslos. Und einer ohne Namen lag bar und reinlich da und gab Gesetze. EINE VON DEN ALTEN PARIS Abends manchmal (weit du, wie das tut?) wenn sie pltzlich stehn und rckwrts nicken und ein Lcheln, wie aus lauter Flicken, zeigen unter ihrem halben Hut. Neben ihnen ist dann ein Gebude, endlos, und sie locken dich entlang mit dem Rtsel ihrer Rude, mit dem Hut, dem Umhang und dem Gang. Mit der Hand, die hinten unterm Kragen heimlich wartet und verlangt nach dir: wie um deine Hnde einzuschlagen in ein aufgehobenes Papier. DER BLINDE PARIS Sieh, er geht und unterbricht die Stadt, die nicht ist auf seiner dunkeln Stelle, wie ein dunkler Sprung durch eine helle Tasse geht. Und wie auf einem Blatt ist auf ihm der Widerschein der Dinge aufge ......Buy Now (To Read More)

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Ebook Number: 33864
Author: Rilke, Rainer Maria
Release Date: Oct 15, 2010
Format: eBook
Language: German

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