Der Tempel: Roman

Der Tempel: Roman

Schwarze Baumstmme ragen trostlos aus dem schmutziggrauen Schnee auf. Von den belebten Straen klingeln gedmpft die Schlittenschellen herber. Das Herdfeuer in der Kche der alten Frau Bernstein wirft blasse Lichtarabesken auf die schmierigen Wnde, spielt auf dem Glas einer verblaten Photographie, die einen Mann in Arrestantentracht darstellt, und lt den Samowar aufblitzen wie Gold. Die groen Scheite knistern geheimnisvoll, der Samowar summt und treibt feine bluliche Dampfwolken in die Hhe. Die alte Jdin sitzt vor dem Herd, neben ihr hockt auf dem Boden ein vierjhriges Knblein, der kleine Moische. Die knochigen, abgearbeiteten Hnde der Gromutter fahren liebkosend ber das dichte schwarze Haar, und die mde alte Stimme erzhlt, wohl zum hundertsten Mal, des kleinen Jungen Lieblingsgeschichte. Da die Fremden, Gott mge sie strafen, unseren herrlichen Tempel zerstrt hatten, gab es unter den Frommen groes Weinen und Wehklagen, besonders ein gottliebender Jngling namens Simon vermochte keinen Trost zu finden. Tag und Nacht strich er um die Sttte, wo der Tempel des Herrn gestanden, und weinte wie eine Mutter, die den einzigen Sohn verloren hat. Der Schmerz ri Furchen in seine Wangen und lie sein Gebein verdorren, so da er dahinschritt wie ein Greis, obgleich er noch jung an Jahren war. Seine Stimme ward heiser vom vielen Weinen, und er sprach mit niemand ein Wort, nicht mit Vater, noch Mutter, nicht mit Bruder, noch Schwester. Nur zum Ewigen schrie er auf aus der Nacht seiner Trauer und kte den heiligen Boden, wo der Tempel gestanden hatte. ......Buy Now (To Read More)

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Ebook Number: 66535
Author: Zur Mühlen, Hermynia
Release Date: Oct 14, 2021
Format: eBook
Language: German