Der heilige Bürokrazius: Eine heitere Legende

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Author: Greinz, Rudolf,1866-1942
Format: eBook
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Der heilige Bürokrazius: Eine heitere Legende

Dieser Text benutzt die UTF-8-Kodierung (unicode). Wenn die Apostrophe, Anfhrungszeichen und die Umlaute in diesem Absatz als seltsame Zeichen dargestellt werden knnte es auch an Ihrem inkompatiblen Browser oder an fehlenden Fonts (Zeichenstzen) liegen. Stellen Sie zunchst sicher, dass der Zeichensatz oder Datei-Kodierung auf Unicode (UTF-8) eingestellt ist. Eventuell ist es auch ntig, die Standardschrift Ihres Browser zu ndern. 7 Vom Pater Hilarius und seiner weltberhmten Fastenpredigt ber das Thema: Warum und wasmaen der Mensch das allergrte Rindviech ist. Grognstiger Leser und hochgeneigte Leserin dieses ebenso frommen als ungemein ersprielichen Bchleins, ihr habt hoffentlich schon von dem hochwrdigen Pater Hilarius gehrt. Ja, ihr mt sogar sicher davon gehrt haben, weil ihr euch ansonsten selber eines ungeheuern, bedauerlichen und schier unbegreiflichen Bildungsmangels schuldig macht. Oder solltet ihr wirklich noch nichts von dem hochwrdigen Pater Hilarius gehrt haben? Das stellet euch gar kein gutes Zeugnis aus. Ihr seid offenbar zu sehr verstrickt in den faulen Zauber aller Weltlichkeit, als da euch der Pater Hilarius schon begegnet wre. Also will ich mich in christlicher Erbarmung ber euren unverantwortlichen 8 Bildungsmangel hinwegsetzen und euch vom Pater Hilarius erzhlen. Der Pater Hilarius war natrlich ein Tiroler, wie berhaupt alle gescheuten Menschen Tiroler sind. Von seinem Geiste werdet ihr noch ganz erklecklich genug zu spren und zu schmecken bekommen. Demnach knnen wir uns vorerst mehr mit seiner hochwrdigen Leiblichkeit befassen. Um euch ein allgemeines Bild von dem berhmten Pater zu geben, mchte ich euch zu Gemte fhren, da er von auen rund und von innen na war. Die uere Rundlichkeit stammte von gengender und mit gebhrender Andacht aufgenommener Atzung. Die innere Nsse oder Feuchtigkeit leitete ihren Ursprung von geistigen Flssigkeiten her, die der hochwrdige Pater mit einer womglich noch greren und tieferen Andacht seinem sterblichen Leichnam einverleibte. Darunter spielte der Wein eine hervorragende Rolle. 9 Glaubet aber deswegen ja nicht, da der hochwrdige Pater Hilarius ein Fresser und Schlemmer und ein gottloser Sufer war. Wie ich euch bereits gesagt habe, geschah alles mit der gebhrenden Andacht. Der hochwrdige Pater Hilarius betrachtete Essen und Trinken als ein Gott wohlgeflliges Fest, das man nicht hoch genug feiern konnte. Er huldigte dem erhabenen Grundsatze, da Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhalte. Und diesem notwendigen Zusammenhalt brachte er so manches Opfer. Es ist auch jedermann, der auf einen guten Bissen und einen guten Trunk nichts hlt, ein langweiliges Individuum, dessen Erschaffung sich der liebe Herrgott htte ersparen knnen. Ich habe weiter oben die Behauptung aufgestellt, da berhaupt alle gescheuten Menschen Tiroler sind. Obwohl diese Behauptung aus dem Spruchschatze des Pater Hilarius stammet und dahero eigentlich keiner weiteren Begrndung 10 bedrfte, will ich euch den Beweis dafr doch nicht schuldig bleiben. Bekanntlich meldet die Volkssage, da die Tiroler erst mit vierzig Jahren gescheut werden. Nachdem aber, wie aus dem Nachfolgenden nur zu deutlich hervorgehen wird, die ganze Menschheit nichts anderes ist, als ein groer Stall von Rindviechern, haben die Tiroler wenigstens noch eine Mglichkeit und einen festgesetzten Termin zum Gescheutwerden, whrend eine solche Mglichkeit oder ein derartiger Termin fr die brigen Menschen auerhalb Tirols nicht bekannt ist. Ein anderes wichtiges Momentum, das gleichfalls den Forschungen des hochwrdigen Pater Hilarius entstammet, soll hier zum erstenmal einer breiteren ffentlichkeit bergeben werden. Nmlich, da die Gescheutheit der Tiroler ihren Urgrund in den Speckkndeln hat. Die Speckkndel sind die Nationalspeise und das Lieblingsgericht aller Tiroler. Durch einen 11 ganz eigentmlichen chemischen Proze, ber den sich der hochwrdige Pater Hilarius sehr eingehend verbreitet, haben die Speckkndel die merkwrdige und nicht genug zu schtzende Eigenschaft, da sie zu einem groen Teile unmittelbar als Phosphor ins Gehirn gehen. Diese Ansammlung von Phosphor erreichet genau beim vollendeten vierzigsten Lebensjahre eines jeden Tirolers einen derartigen Hhepunkt, da die Gescheutheit mit der Sicherheit eines physikalischen Experimentes von selbst in Erscheinung tritt. Die diesbezglichen grundlegenden Forschungen des hochwrdigen Pater Hilarius erlaube ich mir ganz bewut zu unterschlagen. Sonst wollte eines Tages die ganze Welt Speckkndel fressen, um auch so gescheut zu werden wie wir Tiroler. Das ginge uns just noch ab. Wir haben ohnedies immer zu wenig Speck, namentlich in den gegenwrtigen teuren Zeiten. 12 Weil nun die Tiroler Speckkndel die angebetete Leibspeise des hochwrdigen Pater Hilarius waren und er sie auch fleiig mit Wein bego, um den chemischen Proze der Phosphoreszierung mglichst zu beschleunigen, hat er es zu einem ganz besonders hohen Grade der Gescheutheit gebracht, der ihn befhigte, seine weltberhmte Fastenpredigt ber das auferbauliche Thema zu halten: Warum und wasmaen der Mensch das allergrte Rindviech ist. Wenn ihr von dieser Fastenpredigt auch noch nichts gehrt haben solltet, so kann ich es mir nur dadurch erklren, da die auerhalb Tirols lebende Menschheit, die sich von den Ausfhrungen besagter Predigt ganz besonders betroffen fhlen mu, alles getan hat, um die geistigen Produkte des hochwrdigen Pater Hilarius heimtckisch zu unterdrcken. Ihr mt nmlich wissen, da die mehrfach erwhnte Fastenpredigt des hochwrdigen Paters 13 etwa nicht seine einzige Fastenpredigt war, sondern da er noch zahlreiche andere Fastenpredigten hielt. Dieselben zur Gnze oder in einer Auswahl einem lblichen Publico durch die Druckerschwrze vor Augen zu fhren, behlt sich der Herausgeber dieses Erbauungsbchleins fr einen spteren geeigneten Zeitpunkt vor. Grognstiger Leser und hochgeneigte Leserin, seid also in Demut darauf gefat, eines schnen Tages auch die anderen berhmten Fastenpredigten des Pater Hilarius versetzt oder vielmehr um eure pleno titulo Ohrwascheln gehaut zu bekommen. Fr heute wollen wir uns mit seiner berhmtesten Fastenpredigt begngen, da selbige sozusagen den festen Grundstock bildete, auf dem der hochwrdige Pater die Legende vom heiligen Brokrazius aufbaute. An einem Samstag der Fastenzeit hatte sich der hochwrdige Pater Hilarius, um sich fr die geistigen Strapazen des darauffolgenden Sonntags 14 zu strken, sieben Tiroler Speckkndel von der beruhigenden Dimension mittlerer Kegelkugeln einverleibet. Danach verzehrte er noch einen Schpsenbraten mit beigelegten Erdpfeln, Huptelsalat und gedrrtem Zwetschgenkompott, auch eine Leibspeise von ihm, und setzte, weil aller guten Dinge drei sind, noch ein drittes Leibgericht als Krnung darauf. Das waren gebackene Brandstrauben. Dazu trank er anderthalb Ma Kalterer Seewein. Alles in offensichtlicher Andacht, gebhrender Dankbarkeit fr die wundersamen Gottesgaben und in himmlischer Ergebenheit. Als er die letzte Straube mit dem letzten Tropfen Kalterer begossen hatte, faltete er die Hnde ber seinem sehr ansehnlichen Buchlein und sprach: Jetzt wohl! Gegessen wrs und getrunken wrs auch. Wenns nur gepredigt auch schon wr! Dieser fromme Wunsch steigerte sich aber alsobald zu dem mannhaften Entschlu: Na, wartet, 15 euch will ich morgen ordentlich einheizen! Euch will ich sieden und braten, da euch Hren und Sehen vergeht! Ihr Malefiz-Snden- und Teufelsbrateln bereinander! Sprachs, berlegte sich seine Predigt und ging zur Ruhe. Da die Phosphorentwicklung schon in der darauffolgenden Nacht eine ganz gewaltige und mitunter sogar laut hrbare war, erwachte der hochwrdige Pater Hilarius am nchsten Morgen mit einem solchem Gefhle geistiger Strkung, da er sich befhigt erachtete, smtliche Kirchenvter und Theologen zu einem geistlichen Turnier in die Schranken zu fordern. Also bestieg er mit dem geistigen Destillat der sieben Tiroler Speckkndel und aller sonstigen dankenswerten Zutaten die Kanzel und hielt seine berhmte Fastenpredigt, die ich im Nachfolgenden zur Erbauung von mnniglich im Wortlaute wiedergebe... 16 Meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer! Alle Dinge mssen einen Anfang haben. Dahero auch eine Fastenpredigt. Nun will ich aber fr meine heutige Predigt den allerersten Anfang whlen, das ist die Erschaffung des Menschen. Wenn wir dieser Erschaffung auf den Grund gehen, so ist dieselbe eigentlich fr den Menschen gar nicht sonderlich schmeichelhaft. Nur die menschliche Eitelkeit hat es sich mit der Zeit eingebildet, da der Mensch ein auserwhltes Geschpf sei. Lasset daher alle Eitelkeit und allen Stolz fahren, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer, und bemhet euch mit mir, eurem aufrichtigen Freunde, den Tatsachen eurer Erschaffung nachzuforschen. Wie ihr alle wissen werdet, hat der liebe Gottvater zuerst Himmel und Erde erschaffen, Land und Meer, die Pflanzen und Bume und alles Getier, das da kreucht und fleucht. Und erst, als 17 alles da war, vom grten Elefanten bis zum kleinsten Floh, da hat der Herrgott den Menschen erschaffen. Aus was hat er ihn erschaffen? Aus Erde. Jawohl, aus Erde. Das schaut sich ganz schn an, wenn man nicht weiter nachdenkt. Kann sich nun einer von euch, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer, ernstlich vorstellen, da man aus trockener Erde eine Figur knetet? Denn eure auferbauliche Figur, wie ihr da seid mit Krpf und mit Tadel, hat doch der Herrgott aus Erde zusammengeknetet und nachher angeblasen, da ihr eure Haxen habt rhren knnen. Sintemalen nun aus trockener Erde auch der Herrgott keine Figur kneten kann, weil alles in Staub zerfallen tt, so mu das Handwerkszeug des lieben Herrgott aus feuchter oder nasser Erde bestanden haben. Und wit ihr, wie man nasse Erde heit oder was nasse Erde ist? Scheut euch das kurze 18 einsilbige Wort nicht auszusprechen; denn es handelt sich um eine sehr natrliche und alltgliche Sache, der ihr auf Schritt und Tritt begegnet. Aus einem Patzen Dreck hat euch der Herrgott gemacht, aus ganz gewhnlichem Dreck. Vom Dreck stammt ihr, Dreck seid ihr und Dreck bleibt ihr. Dahero, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer, knnt ihr euch auf eure dreckige Herkunft nichts Besonderes einbilden. Habt ihr vielleicht jemals vernommen, da der Herrgott auch nur eines der vielen Viecher aus Dreck hat erschaffen mssen? Die hat er einfach so erschaffen. Da hat er dieses schmutzige Material nicht dazu gebraucht. Nicht einmal um die Sau zu erschaffen, hat er so unappetitlich herumhantieren mssen, wie bei eurer Erschaffung. Darum bildet euch ja nicht ein, da ihr die Krone der Schpfung seid. Ihr seid hchstens das Zipfel von dem ganzen knietiefen urweltlichen 19 Dreck, der damals, weil es keine Straenreinigung gab, auf der Erde jedenfalls noch reichlicher vorhanden war, als heutzutage. Ihr habt dahero gar keine Ursache, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer, auf die lieben Viecher von oben herabzusehen und sie fr minderwertig oder gar fr dumm zu halten. Ich sage euch als euer aufrichtiger Freund und geistlicher Berater: Kein Viech ist so minderwertig, als es ein Mensch sein kann, und kein Viech ist so strohdumm, als ihr es in der Regel seid. Das schreibet sich eben daher, weil es auf der ganzen Erde kein einziges Viech gibt, das aus so minderwertigem Material zusammengeknetet worden wre wie ihr, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer. Nun will ich euch aber eure grenzenlose Dummheit, welche die Dummheit des allerdmmsten Urviechs noch weit bertrumpft, gebhrend zu Gemte fhren. 20 Knnt ihr vielleicht einen Affen in allen Urwldern und Menagerien der Erde finden, der ein solcher Aff ist wie der Mensch ein Aff ist? Es wird so manches zu entdecken sein, was selbst der rgste Aff nicht nachmacht. Aber es gibt berhaupt nichts, was der Mensch nicht nachmacht. Je blder etwas ist, desto begeisterter wird es nachgemacht. Der Mensch glaubt alles, was ein Aff niemals glauben wrde. Der Mensch trottet hinter allem drein, wo ein Aff sich schon lngst ber alle Bum davongemacht htte. Aber kann man auch einen greren Esel finden als den Menschen? Kein Esel wrde, ohne mit allen Vieren auszuschlagen und energisch den Dienst zu verweigern, die Lasten tragen, die der Mensch schon getragen hat und noch immer trgt. Ich will euch gar nicht an bestimmte Lasten erinnern, um euch in eurer Andacht nicht zu stren. Ihr werdet mir es jedoch zugeben, da die Eselssck, die ihr geduldig und stumpfsinnig tragt, 21 kein einziger anderer Esel tragen wrde. In diesem Zusammenhang mu ich auch noch erwhnen, da sich kein noch so geduldiges Schaf seit Anbeginn der Welt derart scheren hat lassen, wie ihr euch tglich scheren lasset. Vom Kamel will ich gar nicht weiter reden. Denn ich sehe verschiedene Schiffe der Wste unter euch, denen ich nicht auf die Zehen treten mchte. Aber wenden wir uns zu demjenigen Tiere, das uns die wichtigste und wertvollste Zutat zu den Speckkndeln liefert. Wenden wir uns zu dem Schwein. Wer unter uns liebt dieses Tier nicht? Kann jetzt vielleicht einer unter euch, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer, behaupten, da das Schwein in Menschengestalt ein hnliches Ansehen genieet und ein hnliches Ma von Liebe erntet? Dasjenige Schwein unter euch, so Dergestaltes von sich sagen kann, mge sich erheben! Niemand 22 rhret sich. Glaubt ihr dahero, da die rgste Drecksau mit einem menschlichen Schwein verglichen werden kann? Oder kennt ihr einen derartigen Saustall auf Erden, wie ihr Menschen ihn habt? Der Besitzer eines solchen Saustalles mge sich melden! Niemand meldet sich. Also haben wir den grten Saustall und brauchen dahero das Schwein gar nicht despektierlich zu betrachten; denn von ihm kommen in erster Linie die Speckkndel, in weiterer Folge Schinken, Wrste, Schweinsbrateln und andere gute und Gott wohlgefllige Dinge. Knnt ihr dagegen ein einziges Gott wohlgeflliges Ding namhaft machen, das aus eurem Saustall jemals die Welt beglcket htte? Nunmehro halte ich es aber, um euren Geist nicht allzusehr in Verwirrung zu bringen, fr notwendig, euch, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer, in eine ganz bestimmte Viechgattung endgltig einzureihen. 23 Ich kann euch die Wahl dieser Gattung leider nicht selbst berlassen, da ihr euch bei eurer bekannten Streitsucht und Uneinigkeit schwerlich auf ein bestimmtes Viech einigen wrdet, jeder den anderen ein besonderes Viech schelten wrde und ihr euch dahero gegenseitig nur beleidigen und krnken und doch zu keinem gedeihlichen Resultate gelangen wrdet. Ihr mt es deshalb schon mir, eurem aufrichtigen Freund und geistlichen Berater, berlassen, euch in Gottes groem Viehstall den richtigen Platz anzuweisen. Ich will euch unter die Rindviecher einteilen. Ihr knnt euch dadurch unmglich beleidigt fhlen. Denn wieviel Gutes kommt vom lieben Rindviech. Milch und Butter und Kas, Fleisch und Fett, Lauskampel und Schuhleder. Ihr werdet gewi nicht behaupten knnen, da man aus euch Lauskampel und Stiefel machen kann. Von Milch, Butter und Kas will ich gar nicht reden. Ihr sehet also, da ich euch alle Ehre antue. 24 Ja, ihr sollt sogar den hchsten Rang unter dem lieben Rindviech einnehmen, meine vielgeliebten andchtigen Zuhrer. Denn ich will euch im Handumdrehen beweisen, warum und wasmaen der Mensch das allergrte Rindviech ist. Merket wohl auf! Habt ihr jemals gehrt, da sich tausend Rindviecher von einem einzigen Rindviech regieren, tyrannisieren und kujonieren lassen? Oder habt ihr gehrt, da sich hundert Rindviecher von einem einzigen Rindviech regieren lassen? Ja, ich will noch bescheidener werden. Habt ihr vielleicht gehrt, da sich auch nur zehn Rindviecher von einem Rindviech regieren lassen? Nein, das habt ihr niemals gehrt. Hat es euch aber jemals in Erstaunen versetzt, da sich nicht nur zehn, hundert und tausend, sondern hunderttausende und Millionen Menschen von einem einzigen Rindviech regieren lassen? Das hat euch nicht im geringsten in Erstaunen 25 versetzt; ihr habt es sogar fr ganz selbstverstndlich gefunden. Ist also der Mensch das allergrte Rindviech oder nicht? Jawohl, der Mensch ist das allergrte Rindviech. Also, meine vielgeliebten andchtigen Rindviecher, das war es ja, was ich euch beweisen wollte. Bleibet daher weiter so, wie ihr immer gewesen seid. Suchet euch weiter geflissentlich die grten Ochsen aus, zu denen ihr mit Vertrauen und Ehrfurcht aufblicket; denn ein Rindviech ist des anderen wrdig. Zu helfen ist euch ja doch nicht, weil ihr eben Rindviecher seid. Amen. 26 Wie Pater Hilarius dazukam, die Legende vom heiligen Brokrazius zu schreiben. Die denkwrdige Fastenpredigt brachte dem hochwrdigen Pater Hilarius sehr groe Ehren ein. Zu den sonderbarsten Folgen gehrte es aber entschieden, da der hochwrdige Pater zum Ehrenmitglied ungezhlter Tierschutzvereine ernannt wurde, was er mit gebhrender Dankbarkeit entgegennahm. Er konnte mit den unterschiedlichen mehr oder weniger knstlerisch ausgefhrten Diplomen nicht nur die Wnde seiner Zelle, sondern auch smtliche Gnge des Klosters und das Refektorium schmcken. Die angenehmsten Folgen zeitigte die Fastenpredigt jedoch fr das Kloster selbst. Die Zuhrer waren von der Erkenntnis ihrer mehr als viechischen Dummheit derart erschttert, da sie das Kloster mit Geschenken berhuften. 27 Vom frhen Morgen bis zum spten Abend ging die Glocke des Pfrtners. Da schwankten auf Rckentragen ganze Panzelen Wein herein. Da gab es Nahrungsmittel in Hlle und Flle, Scke mit Mehl und Erdpfeln und auch feinere fleischliche Gensse. Am meisten zeichnete sich aber die holde Weiblichkeit in Spenden aus. Denn sie hatte vielfach den Stiel umgedreht und die Ausfhrungen der Fastenpredigt nur auf den mnnlichen Teil der Zuhrerschaft bezogen. Und es war den Weiblein ein besonderer Ohrenschmaus, ihre Eheherren noch ber das liebe Rindvieh gestellt zu sehen. So hatschten denn junge und alte Kitteltrgerinnen daher mit Krben voll von Eiern und Butter und Schmalz, mit Geflgel aller Art, Hhnern und Enten und Gnsen, mit ganzen Speckseiten und Geruchertem, mit Schinken und Wrsten, mit kstlichem Backwerk, vom mrben Kipfel bis zum bauchigen Gugelhupf und kreisrunden 28 Torten, etwelchen schier so gro wie Mhlensteine. Es waren auch genug unter der Weiblichkeit, die ihre zrtliche Hingabe mit riesigen Bischkotenherzen bekundeten. Es verstehet sich von selbst, da diese erfreulichen Zutaten zum irdischen Wohlergehen das Ansehen des hochwrdigen Pater Hilarius unter seinen geistlichen Mitbrdern wesentlich steigerten. Denn wer es imstande war, blo durch des Wortes Gewalt den Inhalt der Stlle und Felder durch die fromme Klosterpforte zu leiten wie einen nimmer versiegenden Strom, der mute wohl vom Himmel ganz hervorragend begnadet sein. Diese Anerkennung sprach auch der hochwrdige Herr Prior seinem verdienstvollen Mitbruder begeistert aus. Er meinte zwar, der Pater Hilarius sei ein grober Knochen, aber nichtsdestoweniger habe er den richtigen Ton getroffen, der zu den Herzen der Menschen gehe und alle edeln und ntzlichen Instinkte des menschlichen 29 Rindviehs in geradezu staunenswerter Weise auslse. Dieweilen der hochwrdige Herr Prior in geistlichen Schriften sehr belesen war, machte er den Pater Hilarius auf einen Ausspruch seines berhmten Vorfahren, des Paters Abraham a Santa Clara aufmerksam. Es geschah dies im urschlichen Zusammenhange mit der Wirkung von des Pater Hilarii Fastenpredigt auf das zarte weibliche Geschlecht. Der hochwrdige Herr Prior meinte, da der Pater Abraham im vorliegenden Falle nicht recht behalten habe. Denn er habe einmal gesagt: Die Weiber seynd sonst genaturt wie das Kraut, mit dem Namen Basilicum: wann man dieses gemach und sanft streichet, so gibt es einen beraus lieblichen Geruch von sich; da man es aber stark reibet, stinkt es gar wild. Der Pater Hilarius habe jedoch seine andchtigen Zuhrer und darunter auch die Weiblein 30 nicht nur stark gerieben, sondern gebrstet und gestriegelt nach allen Regeln. Und trotzdem htten darnach gerade die Weiblein lieblich geduftet nach Speck und Schinken, nach Gugelhupf, Faschingskrapfen und Mandelbgen, nach Punschtorten und Bischkotenherzen. Da wies jedoch der hochwrdige Pater Hilarius seinen geistlichen Vorgesetzten auf den Weg der Erklrung, den ich mit euch, grognstiger Leser und hochgeneigte Leserin, bereits ein Stck weiter oben gegangen bin. Der Prior mute dem Pater Hilarius recht geben. Er nannte ihn einen groen Menschenkenner und vornehmlich auch einen groen Kenner der holden Weiblichkeit, deren Schlichen man nicht auf den Grund sehen kann und bediente man sich hiezu auch eines klafterlangen Perspektives. Dabei ermahnte der Prior seinen geistlichen Mitbruder, er mge sich die Dummheit der Menschen zu seinem ganz eigentlichen Studium 31 erwhlen, ihr recht nachforschen, hauptschlich auch ihre Ursachen und tiefsten Fundamente zu ergrnden trachten. Denn besagtes Studium knne fr das ganze Kloster nur ungemein gedeihlich sein. Das habe schon der Anbeginn der Ttigkeit des Pater Hilarius zur Genge bewiesen. Der Pater Hilarius versprach es seinem geistlichen Oberen, er wolle mit allem gebhrenden Flei dem menschlichen Viehstall auch weiter seine vollste Aufmerksamkeit widmen. Zog sich in seine Zelle zurck und war Tage und Wochen nicht zu sehen. Auf Gehei des Priors und wohl auch aus eigenem Antriebe versorgten ihn seine geistlichen Mitbrder fleiig mit aller erdenklichen Atzung und mit Wein, damit er in seinem anstrengenden Studium ber die Dummheit der Menschen auch der leiblichen Strkung nicht ermangele. Es ging jedoch der Pater Hilarius bei seinen schwierigen Forschungen vllig logisch zu Werke. 32 Er dachte sich: Jedes Ding auf Erden mu seinen Schutzheiligen haben. Also auch die menschliche Dummheit. Wenn es gelingt, ihren Heiligen zu finden, dann hat die Sache ihre himmlische Erklrung und kann dadurch leichter begriffen werden. So durchforschte der Pater Hilarius das Leben smtlicher Heiligen, deren er habhaft werden konnte. Keiner war aber so geartet, da er fr die menschliche Dummheit htte verantwortlich gemacht werden knnen. Der hochwrdige Pater studierte die Legenden von vorne und von hinten und konnte trotzdem zu keinem Resultate gelangen. Endlich unternahm er es, alle Heiligen alphabetisch zu ordnen, damit ihm ja keiner zu entrinnen vermochte. Als auch dieses nichts ntzte, ordnete er sie zuerst nach ihren Anfangssilben und dann nach ihren Endsilben. Dabei kam er auch auf die Heiligen mit der Endsilbe azius, auf die heiligen Ignazius, 33 Bonifazius, Servazius, Pankrazius und andere Aziusse. Ich mu hier meine gelehrte Darstellung etwas unterbrechen und zur Ehre der Tiroler Speckkndel einfgen, da just an dem herrlichen Tage, an dem der Pater Hilarius die Heiligen auf azius in Reih und Glied aufmarschieren lie, der Pater Kchenmeister geradezu phnomenale Speckkndel hergestellt hatte, von denen ein halbes Dutzend mit einer Schssel dampfenden Sauerkrautes dem Pater Hilarius auf seine Zelle gebracht wurden. Diese Kndel schmeckten dem hochwrdigen Pater so frtrefflich, da er den zweiten Gang, der in resch gebackenem Klbernem bestand, freundlich zurckwies und dafr eine zweite Auflage Kndel verlangte. Seinem Wunsche wurde natrlich sofort mit gebhrender Ehrfurcht entsprochen. Denn es war dem gesamten Kloster alsobald klar geworden, da 34 sein berhmtes Mitglied heute besonders vom Geiste der Forschung erfllet und dahero desjenigen Nahrungsmittels in strkerem Mae bedrftig sei, welches bekanntlich zur unmittelbaren Anregung der Gehirnfunktionen fhret. Um dieser Vergeistigung allen mglichen Vorschub zu leisten, lie der Pater Kellermeister seinem hochwrdigen Amtsbruder gleichzeitig einen ungeheuern Krug, der niemals geaicht worden war, auf seine Zelle bringen. Ihn sollte ein sagenhafter Pater des Klosters vor vier oder fnf Jahrhunderten in drei Zgen geleeret haben und sollte darauf eines seligen Todes verblichen sein. Sotaner Krug wurde nur bei ganz besonders festlichen Gelegenheiten zu einem feierlichen Rundtrunke hervorgeholet. Den Krug hatte der Pater Kellermeister mit dem besten und ltesten Wein des Klosters gefllet, von dem man behauptete, da um Mitternacht eine schwarze Katze auf dem Fasse hocke. 35 Das alles sei auch deshalb erwhnet, um die Verdienste der Patres Kchenmeister und Kellermeister an den nachfolgenden weltbewegenden Entdeckungen des hochwrdigen Pater Hilarius in das richtige Licht zu stellen. Nachdem nun der hochwrdige Pater Hilarius der zweiten Kndelfuhr den Garaus gemacht hatte und auch schon ziemlich tief auf den Grund des legendren Kruges untergetaucht war, nahm er nochmals die Liste der heiligen Aziusse vor. Er ging sie lange durch, und er ging sie grndlich durch, in seinem Verstande und Gemte wohl erwgend, ob er nicht irgendeinen heiligen Namenstrger auf azius vergessen htte. Da machte er pltzlich in seiner Zelle einen Luftsprung, lpfte den durch Alter und berlieferung geweihten Krug an seine Lippen, nahm einen doppelt krftigen Kuhschluck daraus, setzte ihn wieder auf den Tisch und brach in die begeisterten Worte aus: Jetzt aber hab ich dich beim 36 Krawattel, du heimtckisch verschlossener heiliger Azius! Ignazius, Servazius, Bonifazius und Pankrazius! Eure Liste soll voll werden! Oheiliger Sankt Brokrazius! Jetzt hab ich dich erwischt! Und du sollst mir nicht mehr auskommen! Reifliches weiteres Nachdenken brachte den Pater Hilarius zu der berzeugung, da er in dem heiligen Brokrazius tatschlich den richtigen Schutzheiligen der menschlichen Dummheit gefunden hatte. Nicht nur den Schutzheiligen der menschlichen Dummheit, sondern auch denjenigen Heiligen, dessen Existenz sich berhaupt nur durch die menschliche Dummheit erklren lie, der aus der menschlichen Dummheit gezeugt und geboren wurde. Dem Pater Hilarius wurde es bei der fortschreitenden Verdauung der Speckkndel, deren Zahl diesmal nichts zur Sache tut, und bei der endgltigen Ergrndung des heiligmigen Kruges 37 immer mehr sonnenklar, da der heilige Sankt Brokrazius der mchtigste und einflureichste Heilige auf Erden war. Welcher andere Heilige hatte sonst eine derartige Allmacht gewonnen? Vor welchem anderen Heiligen lag sonst alles derart auf den Knien, ja kroch vor ihm auf dem Bauche? Eines solchen durchschlagenden Erfolges konnte sich kein einziger anderer Heiliger rhmen. Kein Heiliger hatte so viele Jnger wie der heilige Brokrazius. Kein Orden zhlte so viele Anhnger und war mit seinen unermelichen Tausenden von Mitgliedern so sehr verbreitet als wie gerade der Orden des heiligen Brokrazius. Bei weiterer Nachforschung entdeckte der hochwrdige Pater Hilarius in seinem neu gefundenen Heiligen, dem Sankt Brokrazius, sogar gttliche Eigenschaften. Zwar vermochte er in ihm weder die Allwissenheit noch die Allgtigkeit und Allbarmherzigkeit zu finden, wohl aber bis zu einem 38 gewissen Grade die Allmchtigkeit. Eine gttliche Eigenschaft fand er jedoch in dem heiligen Brokrazius vollkommen verkrpert. Das war die Allgegenwart. Bei diesem Studium der Allgegenwart des heiligen Brokrazius mute sich der hochwrdige Pater, indem er sich die nachfolgenden Fragen vorlegte, selbst eingestehen und bekennen: Machst du eine Tre auf, wer stehet drauen? Der heilige Brokrazius. Machst du ein Fenster auf, wer glotzet herein? Der heilige Brokrazius. Sperrst du einen Kasten oder eine Truhe auf, wer hocket drinnen? Der heilige Brokrazius. Greifst du in den Hosensack, wen ziehest du beim Ohrwaschel herfr? Den heiligen Brokrazius. Wer recket berall, aus den verstecktesten Winkeln und heimlichsten rtlein seinen Kragen heraus? Der heilige Brokrazius. Derohalb bestand fr den Pater Hilarius an der Allgegenwart dieses grten und mchtigsten 39 Heiligen, des Schutzheiligen der menschlichen Dummheit, nicht der geringste Zweifel mehr. Um so gewaltiger berraschte es jedoch den hochwrdigen Pater, da er keine Legende des heiligen Brokrazius finden konnte. Die Menschheit hatte also entweder in ihrer Dummheit oder in ihrer unverantwortlichen Undankbarkeit das Erdenleben desjenigen Heiligen totgeschwiegen, in dem sie lebte und webte, in dem sie aufging, der ihre geheimsten Verrichtungen berwachte, kontrollierte und registrierte. Das fand der Pater Hilarius fr unerhrt. Er entschlo sich daher, die Legende des heiligen Brokrazius zu schreiben, um der Menschheit einen Lebensspiegel desjenigen Schutzheiligen zu verehren, zu dem sie in Ehrfurcht aufblickte, vor dem sie in ihrer grenzenlosen Dummheit bebte und zitterte, gleich einem Espenlaub und gleich dem schlotternden Schweiflein eines blutjungen Lmmleins. 40 Da der hochwrdige Pater Hilarius aber nach dem Gutdnken seines eigenen Priors ein grober Knochen war, fand er noch einen dritten Vergleich fr das Beben der menschlichen Dummheit vor dem heiligen Brokrazius. Und er sagte zu sich selbst: Vor diesem saudummen Heiligen zittert das noch dmmere Rindviechgeschlecht der Menschen genau so wie eine schweinerne Sulz auf dem Teller. Nachdem der Pater Hilarius di ......Buy Now (To Read More)

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Ebook Number: 26694
Author: Greinz, Rudolf
Release Date: Sep 23, 2008
Format: eBook
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